Am Anfang eines jeden Jahres zieht es mich, Thomas, gen Norden. Die herrliche Landschaft rund um Idre in Dalarna, bietet eine ideale Basis für meine Winterfotokurse. Und so ganz nebenbei entdecke ich immer wieder ein paar neue Touren und Genüsse. In diesem Februar zieht mich der Städjan in seinen Bann. Dieser Berg regte schon Richard Dybeck zum Text der schwedischen Nationalhymne an. „Du gamla, Du fria, Du fjällhöga nord“ (auf Deutsch: „Du alter, du freier, du gebirgiger Norden“) besingt er ihn und somit kann dieser 13. höchste Berg Schwedens wohl auch für unsere Tour nur inspirierend sein. Zudem liegt er nur unweit des höchsten schwedischen Wasserfalls und kann auch extremste Wetterbedingungen für den „Bergsteiger“ bieten.
So nun aber genug des Superlativismus. Der Aufstieg beginnt.
Der schwedische Märchenwald zieht uns in seinen Bann
Der ideale Ausgangspunkt ist der Wanderparkplatz in Gränjesåsvallen. Für die Anfahrt sollte das Auto aber schon über Spikereifen (die in Schweden erlaubt und gängig sind) oder Schneeketten verfügen, ansonsten ist schon dieser Teil der Strecke ein Abenteuer. Am Parkplatz nutzen wir noch die saubere öffentliche Toilette bevor wir unsere Schneeschuhe anlegen. Wir starten extra heute, da der Wetterbericht heiter bis wolkig vorher sagte. Im Moment ist es eher wolkig, aber das stört uns nicht. Der tiefverschneite Märchenwald lenkt uns von den Wolken ebenso ab, wie von den tiefen Temperaturen. Ca. – 14 °C zeigt uns das Thermometer an. Der Scooterspur folgen wir die ersten paar hundert Meter. Hier brauchen wir die Plastiktatzen eigentlich gar nicht und hadern schon, dass wir uns das Gehen damit extra erschweren. Kurz darauf kommt aber eine unscheinbare Gabelung, an der wir uns für den ausgeschilderten Sommerweg entscheiden und das kleine Abenteuer beginnt.
Immer tiefer versinken wir in den Schnee, das Hinaufgehen bereitet ebenso viel Mühe wie Spaß, denn genau für solche Unwegsamkeiten haben wir ja unsere Schneeschuhe dabei. Kaum dass wir das erste Mal durchschnaufen müssen, stockt uns fast schon wieder der Atem. Der Blick bietet uns eine Aussicht auf das Idrefjäll, wie wir es bisher noch nicht hatten. Wir sehen von hier aus die verschiedenen, beleuchteten Skipisten, die Beschneiungsanlage zeigt uns eindrucksvoll die Richtung des Windes an, den wir hier im Wald noch gar nicht bemerken. Nach gut einem Kilometer durch den Winterwald erreichen wir die Baumgrenze und das Plateau, welches den 1131 m hohen Berg umgibt.
Auch jenseits der Baumgrenze bleibt die Orientierung einfach, nur der Wind nimmt zu
Die Orientierung bleibt auch jetzt ganz einfach. Wir sehen den ehemaligen Vulkan, der mit seinem Vorgipfel aus dieser Perspektive einem Kamelhöcker gleicht, schon deutlich vor uns und steuern auf die rechte, also südliche Flanke zu. So ungeschützt über das Fjäll gehend, spüren schon den Wind etwas an uns zerren und sehen auch die Wolkenfetzen über den Gipfel treibend. Immer näher kommend, baut sich der Amboss, so kann man Städjan auf Schwedisch herleiten, mächtig vor uns auf. Mit seinen teilweise 35 Grad Hangneigung flößt er uns schon gewaltigen Respekt ein und wir sind froh, dass wir die Schneeschuhe mit den Steighilfen und den scharfen Zacken unter den Füßen haben. Mit diesen Zacken beißen wir uns auch bald richtig in den festen, verschneiten Untergrund. Den ersten Gipfel erklimmen wir mit großer Vorfreude, oben erwartet uns jedoch der starke Wind und lässt uns die -14°C wie gut -25 bis -30°C empfinden. Wir gehen mal von einer Geschwindigkeit von 35 km/h aus und da ist unser rasantes Lauftempo noch gar nicht eingerechnet. ;)
Polarexpeditionsfeeling am Gipfel
Auch den Hauptgipfel erreichen wir problemlos mit unseren Schneeschuhen. Oben bleibt jedoch nicht viel Zeit. Wir genießen die Aussicht nur auf die Schnelle, machen ein Gipfelfoto und dann treibt uns der eisige Wind auch schon wieder in Richtung Abstieg. Schon beim kurzen Fotografieren frieren uns die Finger fast ab, an eine Snack- oder Teepause ist gar nicht zu denken. In diesem Moment wollen wir nur ohne Erfrierungen wieder vom Berg kommen. Ich kann mir grad gut vorstellen wie es den Polarpionieren im letzten Jahrtausend ergangen sein muss, obwohl ich weiß, das ist hier noch Kinderkram dagegen. Der gleiche Weg führt uns auch wieder runter vom Vulkankegel des Städjan, wir sehen schon ein wenig mehr die Sonne durchscheinen und beschließen an der Waldgrenze eine Pause im windgeschützten Gelände zu machen.
Vom Adrenalin aufgeheizt freuen wir uns trotzdem schon auf ein heißes Bad
Bis dahin heizt uns der Adrenalinspiegel auch wieder etwas ein. Die steilen Flanken sind bergab nicht weniger anspruchsvoll als bergauf. Die Schneeschuhgehtechnik verlangt, dass wir die Schuhspitzen immer gerade gen Tal richten, dabei greifen die Zacken am besten. Immer wieder komme ich in Versuchung und stelle die Füße parallel zum Hang, was unweigerlich zum Rutschen führt … was aber auch Spaß machen kann und somit komme ich ziemlich zügig, wenn auch mäßig kontrolliert wieder am Fuße des Berges an. Unser Pausenplätzchen hinter einer kleinen Baumgruppe bietet Windschutz und eine herrliche Aussicht. Von etwas weiter oben können wir auch im Norden das Nipfjäll sehen, auf dem wir ja schon mit Skiern unterwegs waren. Jetzt schleicht sich aber doch die Kälte wieder unter unsere Kleidung und wir haben in Gedanken schon die rauchende Sauna sowie den dampfenden Zuber vor Augen. Diese kleinen Belohnungen gönnen wir uns heute Abend im Camp. Nachdem wir die Fast-Polar-Expedition Städjanbesteigung mit Bravour und ohne Verluste gemeistert haben, können wir im warmen Wasser die schwedische Nationalhymne in den Nachthimmel trällern und dem Städjan huldigen …
„Du gamla, Du fria, Du fjällhöga nord
Du tysta, Du glädjerika sköna!
Jag hälsar Dig, vänaste land uppå jord,
/: Din sol, Din himmel, Dina ängder gröna. :/“
Tipp: In den Idre Stugor von Rucksack Reisen kann man gut unterkommen und von hier aus verschiedene Touren unternehmen.
Anreise: Idre ist der ideale Ausgangspunkt für unterschiedliche Winteraktivitäten und am besten mit dem Bus zu erreichen, den man über Rucksack Reisen Münster GmbH buchen kann. Von Hamburg geht es direkt ins Rucksack-Camp nach Dalarna. In Idre selber gibt es eine gute Infrastruktur für den Einkauf der Verpflegung in zwei Supermärkten und einem Systembolaget. Wer mit dem eigenen Auto anreisen möchte, ist sicherlich mit der Fähre der ColorLine von Kiel nach Oslo gut beraten. Ab Oslo sind es dann noch ca. 340 km oder 5 Stunden Fahrt im Winter ist etwas mehr Zeit einzuplanen und Schneeketten mitzuführen oder besser Spikereifen zu montieren.
Wanderkarten:
LANDMÄTERIET, Fjällkartan W52 IDRE, ISBN: 9789158895546 , Maßstab 1:50000
OUTDOORKARTAN, Blad 13, Rogen – Grövelsjön – Idre, ISBN: 9789113068268, Maßstab 1:75000
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Auf den Fotos sieht das toll aus, aber ob es sich bei der Wanderung auch so anfühlt? Deiner Beschreibung nach ja eher nicht, oder?
Hallo,
es fühlt sich genau so an, wie es aussieht. Zwischen strahlendem Sonnenschein und eisigem Sturm kannst du dort alles erleben. Teilweise am selben Tag. ;)