Der Havel-Radweg und der Havelland-Radweg geben die Richtung vor
Durch das flache Brandenburg führt der Havel-Radweg mit einer Gesamtlänge von ca. 371 Kilometern und der Havelland-Radweg mit rund 115 Kilometern. Für uns war dies der Aufhänger unsere ganz eigene Tour durch das Havelland zu kreieren und neben Flusslandschaften und den eindrucksvollen Städten Brandenburg, Potsdam und Rathenow auch die kleinen Ortschaften im dünn besiedelten Havelland zu erkunden. Besonders begeistert hat uns bei den Recherchen im Vorfeld, der Naturpark Westhavelland, der 2014 als erster Sternenpark Deutschlands anerkannt wurde und den wir unbedingt in unsere Strecke integrieren mussten. Fünf Etappen und rund 300 Kilometer hat unsere individuelle Radtour durch das Havelland gedauert.
Entspannter Start in Potsdam, der Landeshauptstadt von Brandenburg
Nach einer Übernachtung auf dem „Königlicher Campingpark Sanssouci“ in Potsdam sind wir schon mitten auf dem Havel-Radweg, denn er führt direkt durch den großzügigen Campingplatz am Templiner See. Unser erstes Zwischenziel Werder, die Blütenstadt, liegt rund 15 km entfernt, das wir entspannt auf gut asphaltierten Radwegen erreichen. Einen Abstecher in die historische Innenstadt, die auf einer Insel liegt, lohnt sich! Das Kopfsteinpflaster ist zwar nicht gerade radfreundlich, die hübschen Fachwerkhäuser, historischen Gebäude, kleinen Geschäfte und Cafés strahlen eine einladende Atmosphäre aus. Außerdem gibt es entlang der Uferpromenade zahlreiche Bänke, die zu einer ersten Rast rufen. Wer hier im Frühling unterwegs ist, versinkt in einem Blütenrausch in weiß und rosa, denn Werder wird mit den zahlreichen Plantagen auch liebevoll als Obstkiste Brandenburgs bezeichnet.
Bis Phöben ist es noch etwas trubelig, denn der Radweg führt parallel zur Straße. Dann wird es ruhiger und wir tauchen ein in die ländliche, von Pferdezucht dominierte Idylle bevor wir auf dem bestens präparierten Haveldeich entlang gleiten. Wir sind eingebettet zwischen dem blauen Flussband links und den grünen Wiesen rechts von uns. Kulturlustige können mit der Minifähre bei Ketzin kurz übersetzen nach Schloss Paretz. Für uns geht es weiter auf dem Deich, vorbei an zahlreichen Obstbäumen bis nach Deetz. Dort nutzen wir einen Rastplatz direkt an der Havel für eine Stärkung. Von hier sehen wir in einiger Ferne schon den Aussichtsturm auf dem Götzer Berg, der mit 109 Meter ü. M. eine kleine Erhebung ins Flachland bringt und den höchsten Punkt unserer Tour markiert!
Aufstieg auf den Götzer Berg
Der Abstecher zum Götzer Berg führt uns durch ein ruhiges Teichgebiet, das wir uns nur mit einigen Mücken teilen müssen. Hinauf zum Turm geht es direkt im gleichnamigen Ort Götzerberg, wo wir der Ausschilderung zum Aussichtsturm folgen. Zuerst macht der Plattenweg und dann der Brandenburger Sandboden den Anstieg durch das Waldstück ziemlich mühsam und irgendwann drehen die Räder im riesigen Sandkasten durch. 145 Stufen führen auf den dreieckigen Metallturm und von oben verfolgen wir im 360 Grad Rundumblick wie die Havel die flache Landschaft durchzieht. Mit einer Abfahrt durch den Wald kommen wir in Götz raus, biegen nach rechts ab und stoßen wieder auf unser blaues Symbol. Der Radweg führt hindurch zwischen Wiesen und Wasser, Enten sonnen sich in der Abendsonne, die die Landschaft in ein wunderbares goldenes Licht taucht. Noch 18 km trennen uns von unserem heutigen Etappenziel Brandenburg a. d. Havel. Hinter Gollwitz endet leider vorläufig die Ruhe, denn wir überqueren die vielbefahrene B102 und der Radweg führt auf den letzten Kilometern parallel dazu hinein in die Stadt. Auf dem Weg ins Zentrum werden wir von Kopfsteinpflaster und Straßenbahnschienen in Empfang genommen. Für uns mit den bepackten Bikes eine ziemlich heikle Kombination und so ist nochmal Konzentration angesagt bis wir an unserer Unterkunft direkt hinter der eindrucksvollen Jahrtausendbrücke an der Werft anlegen.
Möpse jagen in Brandenburg
Brandenburg, eine der Bundesgartenschau-Städte 2015 hat leichtes Spiel, uns zu begeistern. Toll restaurierte Backsteingotik-Gebäude wie das Altstädtische Rathaus mit dem Roland oder auch die Museumsinsel mit dem über 850-Jahre alten Dom St. Peter und Paul, die zahlreichen Brücken, auf denen man die Havel überqueren kann und natürlich Loriot und seine Waldmöpse ziehen uns in ihren Bann. Der gebürtige Brandenburger Vicco von Bülow ist Ehrenbürger seiner Heimatstadt und zwischenzeitlich haben sich 20 seiner Waldmöpse in das Stadtgeschehen integriert. Wir haben riesigen Spaß auf unserer Stadterkundungstour den einen oder anderen drolligen Gesellen zu entdecken und diesem Outdoorerlebnis auch einen eigenen Beitrag gewidmet.
Nach der Stadt tauchen wir in die Ruhe der Havelländer Wälder ein
Wir verlassen Brandenburg am nächsten Morgen über die Jahrtausendbrücke, denn der Havel-Radweg führt links der Brandenburger Niederhavel hinaus aus der Stadt. Hier genießen wir nochmal den Rückblick auf die Stadt mit ihrem Brücken-Panorama. Kaum haben wir Wilhelmsdorf erreicht, genießen wir die Ruhe und Einsamkeit in einem großen Waldgebiet durch das uns der Radweg den Breitlingsee nach Kirchmöser Dorf umrunden lässt. Ja, die Havel hat ein großes Vergnügen daran auf ihrem Weg von der Quelle bis zur Mündung in die Elbe bei Gnevesdorf, unzählige Seen zu durchfließen. Wer Lust auf ein Bad hat, der kann hier an einer der vielen kleinen Buchten direkt ins Wasser hüpfen. In Kirchmöser Dorf sind wir gut beraten unsere Vorräte nochmal aufzufüllen, denn es ist Samstag und die nächsten Einkaufsmöglichkeiten sind eher dünn gesät.
Anschließend gönnen wir uns eine Mittagspause an der bunten Marina im Ort bevor wir nach einem opulenten Backsteingebäude, der ehemaligen Pulverfabrik, auf eine futuristische Stahlbrücke zusteuern und gleich darauf rechts einbiegen in den Plauer Schlosspark. Eine Aussichtsterrasse gibt einen herrlichen Blick auf den Plauer See und eine Vielzahl von Segelbooten frei, die auf dem Wasser entlang tanzen. Das Schloss ist noch nicht vollständig restauriert, aber das Café sieht sehr einladend aus und wir bedauern es fast ein bisschen, dass wir nicht schon wieder eine Pause brauchen. Das Bedauern wird kurz darauf noch gesteigert, denn wir stoßen direkt an der Havel auf einen Wagen der in der Sonne mit frischen Fischbrötchen auf Gäste wartet! Wir überqueren die Havel auf einer alten Brücke und dann geht es weiter auf der wenig befahrenen L962 durch Briest und Tickow nach Pritzerbe. Hier sputen wir uns, um ohne Wartezeit mit der Fähre in rund fünf Minuten nach Kützkow überzusetzen. Am Fähranleger spricht uns ein topfittes Paar um die 80 Jahre aus dem Nachbarort an, die uns auf die anstehenden Highlights, wie die Kirche in Bahnitz hinweisen. Wahrlich authentische Botschafter für die Havelregion, wie wir sie noch häufiger auf dieser Tour treffen werden.
Wahre Schmuckstücke: Kleinste Kirche Brandenburgs und die Villa Bolle in Milow
Bahnitz erreichen wir zügig und tatsächlich steht dort mit 30 Sitzplätzen die kleinste Kirche Brandenburgs. Für die anschließende Passage über Jerchel und Marquede nach Milow nutzen wir den alten Plattenweg, der uns wahrscheinlich jede Menge Vorwende-Geschichten erzählen könnte. Wir durchqueren Milow und wollen einen Abstecher zum dortigen NaturparkZentrum Westhavelland machen. Im Ort legen wir eine Vollbremsung ein, denn die Villa Bolle, die direkt an der Hauptstraße steht und heute als Jugendherberge dient, ist ein wirklicher Augenschmaus. Im NaturparkZentrum kann man mit allen Sinnesorganen allerlei zur Tier- und Pflanzenwelt im Westhavelland erfahren. Für uns am spannendsten sind die Informationen zum Sternenpark, in dem wir morgen Abend auf klare Sicht und Sternenhimmel hoffen.
Die Bundesgartenschau 2015 tat unserem Weg richtig gut
Ab Milow hat der Havel-Radweg besonders von den Verschönerungsaktionen, die zur Bundesgartenschau initiiert wurden, profitiert. Hier bitte auch aufmerksam nach der Ausschilderung Ausschau halten und Richtung Bützer folgen. Ab da ist der Radweg dann auch wieder gut ausgeschildert und führt direkt am Havelufer vorbei an einigen herausgeputzten Grundstücken, kleinen Badestellen, Wellnessliegen und BUGA-Installationen. Dann rollen wir wieder über den zwischenzeitlich bekannten Plattenweg nun aber in modernisierter und gut befahrbarer Ausführung. Er leitet uns durch Felder und wieder zurück an das mit Schilf verzierte, durch das Abendlicht in orange getauchte Vogelschutzgebiet entlang der Havel. Auf dem alten Rathenower Burgwall werden wir nochmal ordentlich durchgeschüttelt und immer wieder zeigt sich schon der Bismarckturm, der im Rathenower Weinberg steht.
Glücklicher Zufall: Begegnung mit dem Bürgermeister
Auf unserer abendlichen Blaue-Stunde-Tour durch Rathenow, spricht uns an der Sankt-Marien-Andreas-Kirche ein freundlicher Herr an und fragt uns, ob er uns weiterhelfen könne. Wie sich herausstellt ist es Ronald Seeger, der Bürgermeister der Optikstadt (das ist er vorraussichtlich noch bis 2026), denn Rathenow gilt als die Wiege der optischen Industrie in Deutschland und es waren hier vor 1989 mehr als viertausend Menschen in der Brillenproduktion beschäftigt. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen im Optikpark und erhalten eine ganz individuelle Führung durch die bunte Welt der Optikphänomene. Besonders stolz ist der Bürgermeister auf die geschwungene Weinbergbrücke, die zur BUGA 2015 errichtet wurde und das Parkgelände mit dem Rathenower Weinberg verbindet. Dort thront der 1914 erbaute Bismarckturm; die 91 Stufen bringen uns hinauf zu einer schönen Aussicht – wer mag, kann hier in der Außenstelle des Standesamts auch heiraten. Wir durften uns in das Goldene Buch der Stadt eintragen und sind darauf schon mächtig stolz.
Wir verlassen die ausgeschilderten Havel-Routen für einen lohnenswerten Abstecher in die Stille
Durch Rathenow führt auch der Havelland-Radweg der den Brandenburger Adler als Symbol trägt und wir folgen auf den kommenden 20 km den beiden parallel verlaufenden Radwegen – verfahren ausgeschlossen. Der Weg ist toll ausgebaut und man fährt gefühlt fast wie auf Schienen. Hin und wieder erkennen wir ein Segel, das durch die Wiese zu fahren scheint und erst irgendwann zeigt sich das Wasser mit dem kompletten Boot. In Grütz erwartet uns ein herrlicher Biwakplatz mit Picknick-Garnitur direkt am Wasser. Diese „Einladung“ nehmen wir gerne an. Die Havel mäandert anschließend ziemlich schmal, allerdings ist sie auf dieser Passage eher nur an den Badestellen inklusive Reiher auch tatsächlich zu sehen. Im Wald entdecken wir Rehe, die durchs Dickicht huschen und zwischendurch durchfahren wir sandige Abschnitte. Hier dominiert die Natur und wir begegnen so gut wie keiner Menschenseele. Bei Neu-Schollene wechseln wir unmerklich für ein kurzes Stück ins Bundesland Sachsen-Anhalt und gelangen auch zum offiziellen Start- oder Endpunkt des Havelland-Radwegs. Tschüssi Havelland-Radweg wir treffen uns dann später wieder. Weiter geht es auf dem Havel-Radweg über Molkenberg, wo wir über einen Schotterweg einen Abstecher hinunter zum Fluss machen und eine Pause auf einem Restaurantschiff einläuten. Bei der Garzer Mühle verabschieden wir uns auch vom Havel-Radweg, der weiter in Richtung Havelberg führt.
Still, stiller, Gülpe – Sternenhimmel pur
Unser Ziel ist heute Gülpe, mitten im Naturpark Westhavelland und einer der Hotspots für Sternengucker. Wir umrunden über Warnau im Westen, Strodehne im Norden, Kietz und Rhinow im Osten großräumig den Gülper See und das gleichnamige Naturschutzgebiet. In Rhinow gibt es die absolut letzte Chance für die kommenden ca. 30 Kilometer Proviant einzukaufen, wer wie wir hier am Wochenende unterwegs ist, sollte das in seinen Planungen berücksichtigen. Nach Pritzen gelangen wir an das Südufer des Sees, passieren eine Bockwindmühle und werden begleitet vom zunehmend lauter werdendem Vogelgetöse. Der 660 Hektar große Gülper See ist ein wahres Vogelparadies und die von weit her anreisenden, mit Hightec-Ausrüstung bestückten Ornithologen, hoffen hier z.B. Kiebitz, Goldregenpfeifer, Kampfläufer, Seeadler vor die Linse zu bekommen. Wir Nicht-Vogelkundler müssen froh sein, wenn wir im Beobachtungsturm noch ein Plätzchen finden. Vor allem dürfen wir keine „komischen“ Fragen stellen, das kommt in diesen Expertenkreisen nicht gut an. Wir entschließen uns schnell, einen der wenigen Zugänge direkt an den See zu nutzen und die Geräuschkulisse in uns aufzusaugen.
Es gibt wohl kaum einen Ort, der mehr Ruhe verströmt als Gülpe. In dem aus wenigen Häusern bestehenden Dorf überqueren selbst die Katzen ohne Vorsicht vor Autos die Straße, denn die sind hier Mangelware. Das gefühlt von der Zivilisation abgeschiedene Gülpe liegt mitten im Naturpark Westhavelland, der 2014 von der International Dark Sky Association als erster Sternenpark Deutschlands anerkannt wurde. Wir schlagen uns also einen großen Teil des Abends und der Nacht Outdoor, bei mitgebrachten belegten Broten um die Ohren. Selten konnten wir bisher so einen malerischen Sonnenuntergang genießen und so verträumt in den atemberaubenden Nachthimmel blicken, um wenige bekannte und unzählige für uns unbekannte Sterne zu entdecken. Speziellere Infos zum Großen Leuchten, findet ihr bei unserern Genussaktivitäten.
Alte und neue Bekannte, von Plattenwegen und Alleen
Beim Frühstück in der Kreativoase, der hübschen und einzigen Unterkunft weit und breit, vertreibt der frische Kaffee die Müdigkeit! Gülpe verlassen wir über Pflastersteine und dann holpern wir über alte Bekannte in Richtung Parey: die Plattenwege. Die ruhige, menschenleere Landschaft mit weiten Feldern schwebt an uns vorbei und wir inhalieren einfach die grenzenlose Ruhe, die uns seit gestern Nachmittag begleitet. Zwischenzeitlich sind wir auf dem Storchen(rad)weg unterwegs und einige unbewohnte Nester in Parey lassen einen umtriebigen Frühling und Sommer vermuten. Bis Hohenauen fahren wir durch einige der typischen Brandenburger Bilderbuch-Alleen und auf einer der zahlreichen Wiesen entdecken wir dann auch einen Storch! In Hohennauen freuen wir uns richtig, dass es wieder Gaststätten gibt und wir nutzen die wiedergewonnene Infrastruktur gleich zu einer Einkehr am Hohennauener See.
Ab Stechow hat uns der Havelland-Radweg mit dem radelnden Adler-Symbol wieder. Im kleinen Kriele gibt es noch vergleichbar viele kleine Gaststätten und das finden wir ziemlich unterstützenswert. Was wäre eine ausgiebige Radtour ohne Einkehrmöglichkeiten. Hinter Senzke kündigt sich der Große Havelländische Hauptkanal an und eine gewisse Erwartung baut sich in uns auf, aber es ist einfach nur eine unspektakuläre relativ breite Fahrrinne. Viel interessanter ist die weite Landschaft, das Havelländische Luch und die Kraniche die sich hier am Nachmittag tummeln. Hin und wieder begegnen wir einem knatternden Traktor, aber sonst gehört der Weg uns alleine. Kurz vor Pessin schieben wir die Räder hinauf auf die Schwahberge, wo wir auf einen hölzernen Thron mit der Aufschrift „Weites Feld“ klettern und dort eine majestätische Sicht auf das umliegende Luch haben. Hinter Pessin, Paulinenaue und Bienenfarm entdecken wir, dass Kamerun auch in Brandenburg liegt. Dem Abzweig fahren wir aber nicht nach, sondern ziehen den Endspurt nach Ribbeck an.
Theodor Fontane lässt grüßen: Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
Wenn hier am späten Nachmittag die Reisebusse ihre Tagestouristen wieder eingesammelt haben, verwandelt sich der uns allen aus der Schulzeit bekannte 450 Seelen Ort in ein ruhiges fast verschlafenes Dörfchen. Wenn es könnte, würde es sogar die Gehwege noch hinauf klappen. Wir haben Ribbeck sozusagen für uns ganz alleine und besuchen natürlich, was auch sonst, als erstes den wohl bekanntesten Birnbaum der Welt, direkt an der Kirche. Ribbeck hat sich wirklich fein herausgeputzt, viele der alten geschichtsträchtigen Gebäude, wie das Waschhaus und die Brennerei wurden saniert und wieder zu neuem Leben erweckt. Auch gastronomisch ist einiges geboten, wir haben mindestens sechs Cafés und Gaststätten gezählt, aber am Montagabend und vor allem nach 18 Uhr ist es eine größere Herausforderung noch etwas zwischen die hungrigen Beißer zu bekommen. Leider hat auch das hübsche Cafe, in unserer traumhaften Unterkunft, dem alten Schafstall am Montag Ruhetag. Somit ist wieder „Stullenzeit“ angesagt, macht aber nichts!
Geschichtsunterricht statt zweites Frühstück im „Alten Schulhaus“
Dafür statten wir direkt nach unserem leckeren Frühstück dem „Alten Schulhaus“ noch einen Besuch ab. Hier ist heute ein Café und ein altes Klassenzimmer mit Schulbänken, Tafel, Mappen und Büchern eingerichtet. „2005 wurde nach der Kirche die ehemalige Schule wiederbelebt und mit den alten Gegenständen im Klassenzimmer wollen wir Geschichte anschaulich machen“, schildert Axel Koziol, Vorstand des Kinder- und Jugendförderverein e.V. Brandenburger Grundschulklassen können hier im Klassenzimmer 45 Minuten Unterricht wie zu Urgroßmutters Zeiten erleben. Beim großen Teil der Touristen steht aber anstatt lernen, genießen auf dem Programm. Das kann man hier ausgezeichnet: Birnenköstlichkeiten in verschiedensten Variationen stehen auf der Karte und hoch im Kurs stehen die Birne-Helene-Torte, Kartoffelpuffer mit Birnenmus und Birnenstreusel. Wenn wir nicht nur gerade so gut gefrühstückt hätten …
Neun km hinter Ribbeck erreichen wir Nauen. Auch hier lohnt sich ein kurzer Abstecher durch die kopfsteingepflasterte Altstadt. Anschließend rollen wir rund sieben km parallel zur, zum Glück wenig befahrenen B273, bevor wir wieder in den Wald eintauchen. Mit Paaren im Glien lernen wir erneut ein Augenweide-Dorf kennen und das Stägehaus mit dem angegliederten Museum hätten wir uns gerne angeschaut (dienstags leider Ruhetag), aber auch die neogothische Kirche mit den zahlreichen Hochzeitsbäumen gefällt uns.
Die Großstadt macht sich bemerkbar
Dann sind es laut Ausschilderung nur noch 39 km bis Spandau, unsere Tour neigt sich langsam dem Ende entgegen. Nachdem wir kurz darauf Perwenitz erreichen, sind es laut Wegweiser nur noch 26 km, so schnell haben wir 13 km noch nie hinter uns gebracht. Stetig steigt nun das Verkehrsaufkommen und auch der Geräuschpegel nimmt mehr und mehr zu. Uns wird nochmal richtig bewusst durch was für eine landschaftliche Ruhezone wir in den vergangenen Tagen cruisen durften. In Schönwalde-Siedlung erinnert ein Mauerstück an die innerdeutsche Grenze, die heute mit orangefarbenen Stangen markiert ist. Bis Berlin-Spandau läuft unsere Strecke dann auch parallel auf dem sehr hügeligen und informativen Mauerradweg, der ziemlich belebt ist. Dann stehen wir plötzlich am trubeligen, lauten und überhaupt nicht einladenden S-Bahnhof Spandau. Kurz überlegen wir, ob wir das verloren gegangene Havel-Radweg-Symbol im Getümmel suchen, um unsere Runde zum Ausgangspunkt in Potsdam abzuschließen. Entscheiden aber schnell, dass wir uns diesen Stress nicht geben und steigen in die S-Bahn, die im 10-Minuten-Takt Richtung Potsdam fährt.
Zurück in Potsdam gönnen wir uns noch eine Nacht auf dem „Königlichen Campingpark Sanssouci“ und eine Stadtführung auf dem Rad durch Potsdam.
Stadtführung auf dem Rad durch Potsdam.
Natürlich haben wir die hübschen Geschäfte und Cafés in und um das Holländische Viertel zu Fuß erkundet. Da es in Potsdam aber auch außerhalb des Zentrums einiges zu entdecken gibt, haben wir gemeinsam mit einem Stadtführer einige tolle Sehenswürdigkeiten und Geschichten bei einer Stadtführung per Rad erkundet! Nur rund ein Drittel von Potsdam ist bebaut und die weitere Fläche besteht aus Wasser oder Grünfläche. Parkanlagen gibt es hier wirklich viele und so nehmen wir gemeinsam mit Volker Punzel, unserem Gästeführer, den Babelsberger Park unter die Reifen. Von dort haben wir einen eindrucksvollen Blick auf die geschichtsträchtige Glienicker Brücke, über die wir später auch noch rollen. „Ist es nicht faszinierend zwischen Holland und Russland in sieben Minuten zu pendeln, das macht Potsdam so spannend“, meint Volker Punzel. Er lotst uns zum Theodor Fontane Archiv in der Villa Quandt, zur Kaiserin-Augusta-Stiftung, die ehemals den KGB beherbergte, zur russischen Kolonie „Alexandrowka“ mit 13 Häusern im Blockhausstil. Durch die Nr. 12 erhält man bei frühzeitiger Abstimmung und Voranmeldung auch eine Führung durch Haus und Garten von den Bewohnern Anne und Lutz Andres (Tel.: 0331 2702458). Es ist die richtige Kombination zwischen Rad fahren und sich dabei umschauen sowie anhalten und Hintergrund-Details erfahren, die diese Tour für uns so interessant machen. Mehr unter: www.potsdamtourismus.de/touren/stadtrundgaenge, Rundgänge per Rad anfragen.
Neben unserer kleinen Bilderschau hier, könnt ihr auch bei Thomas noch mehr und größere Fotos der Tour sehen.
Infobox zu unserer Radtour durch das Brandenburger Havelland
Charakter/Anspruch:
Sowohl der Havel- als auch der Havelland-Radweg sind bestens ausgeschildert. Die beiden Radwege lassen sich sehr gut kombinieren, so dass je nach Kondition, Streckenpräferenzen und verfügbarer Zeit jeder seine individuelle Tour durch das Havelland kreieren kann. Die Region ist sozusagen „topfeben“ und Höhenmeter gilt es nahezu nicht zu erobern. Etwas herausfordernd ist manchmal der Gegenwind, der einem entgegen bläst. Der Havel-Radweg führt entlang der Havel und zahlreicher Seen. Ein Gewässer ist fast immer in Blickweite. Der Havelland-Radweg führt durch viele beschauliche Brandenburger Ortschaften und auf den Straßen ist außer um Berlin wenig los. Eine Besonderheit sind die Passagen mit den „Plattenwegen“, die die volle Aufmerksamkeit erfordern. Neben der unberührten Natur, bieten die Stopps in Brandenburg, Rathenow, Ribbeck und Potsdam einige kulturelle Highlights.
Anreise:
Mit dem Auto:
° Stuttgart – Potsdam = ca. 610 km
° München – Potsdam = ca. 555 km
° Hamburg – Potsdam = ca. 290 km
Parkmöglichkeit in Potsdam:
Wir konnten unser Auto problemlos nach vorheriger Abstimmung am Campingplatz „Ihr königlicher Campingpark Sanssouci zu Potsdam/Berlin“ abstellen. Hier war auch unser Startpunkt der Tour.
Mit der Bahn:
Potsdam ist über den Berliner Hauptbahnhof sehr gut aus allen Himmelsrichtungen zu erreichen. Die S-Bahn S7 fährt alle zehn bis zwanzig Minuten und zwischendurch auch noch ein Regional-Express (RE1) nach Potsdam Hauptbahnhof. Von dort orientiert man sich am besten an der Ausschilderung zur Moschee (Dampfmaschinenhaus), auch das blaue quadratische Havel-Radweg-Symbol ist immer bald zu erkennen.
Mit dem Flugzeug:
Vom Flughafen Tegel in Berlin sowie vom Flughafen Schönefeld in Brandenburg ist Potsdam gut zu erreichen. Von Schönefeld aus fährt stündlich die Regionalbahn RB22 direkt nach Potsdam. Von Tegel fährt ein Flughafenbus zum Berliner Bahnhof Zoo. Von dort geht es mit der S-Bahn S7 oder mit dem Regional-Express RE1 zum Potsdamer Hauptbahnhof.
Beste Reisezeit:
Wir empfehlen das Frühjahr und den Herbst. Im Frühling ist das Havelland zur Baumblüte ein wahres Blütenmeer und im Herbst wachsen einem die reifen Früchte fast in die Lenkertasche.
Karten und Buchmaterial:
bikeline – Verlag Esterbauer:
° Havel-Radweg, Maßstab 1:50.000, ISBN: 978-3-85000-442-8
° Radfernweg Hamburg-Berlin, Maßstab 1:75.000, ISBN: 978-3-85000-204-2
KOMPASS-Karten:
° Fahrradführer, Havel-Radweg, Maßstab 1:50.000, ISBN: 978-3-85026-932-2
° Fahrrad-Tourenkarte, Havel-Radweg, Maßstab 1:50.000, ISBN: 978-3-85026-798-4
° Fahrradkarte-3028, Ruppiner Land – Nördliches Havelland, Maßstab 1:70.000, ISBN: 978-3-85026-289-7
° Fahrradkarte-3043, Potsdam – Havelland- Fläming, Maßstab 1:70.000, ISBN: 978-3-85026-272-9
° Rad-Wandern-745, Havelland, Maßstab 1:50.000, ISBN: 978-3-85026-540-9
Für den Sternenpark:
° Topographische Freizeitkarte, Naturpark Westhavelland Nord, Maßstab 1:50.000, ISBN: 978-3-7490-4079-7
Gute Flyer zum Havelland-Radweg und zum Havel-Radweg gibt es online als PDF.
Unsere Etappen:
1.Etappe: Potsdam – Brandenburg (62 km)
2.Etappe: Brandenburg – Rathenow (66 km)
3.Etappe: Rathenow – Gülpe im Sternenpark Westhavelland (57 km)
4.Etappe: Gülpe – Ribbeck (61 km)
5.Etappe: Ribbeck – Potsdam (55 km)
Wir sind ca. 301 km geradelt mit einem Anstieg von insgesamt gut 100 hm.
Fakten/Schwierigkeiten:
Es liegen mehrere große Städte am auf dem Weg, sodass es keine Versorgungsengpässe gibt. Nur für die Nacht in Gülpe muss man sich vorher eindecken, dort gibt es keine Möglichkeit einzukaufen oder zu Abend zu essen. In Ribbeck auch nicht zu spät ankommen, sonst gibt es auch nichts mehr zu essen oder vorher für ein Picknick einkaufen. Montags haben viele Gaststätten geschlossen.
Unsere Übernachtungen:
Brandenburg – Pension „Havelfloß“ (www.pension-havelfloss.de)
Rathenow – Pension „Zur Alten Stadtmauer“ (www.stadtmauer.de)
Gülpe – Kreativ Oase (http://aktivurlaub-malen.de)
Ribbeck – Landhaus Ribbeck (www.landhaus-ribbeck.de)
Potsdam – Königlicher Campingpark Sanssouci zu Potsdam/Berlin (www.camping-potsdam.de)
Weitere Infos:
www.reiseland-brandenburg.de
www.havelland-tourismus.de
www.havelland-tourismus.de/radfahren/havelland-radweg
www.havelland-tourismus.de/radfahren/havel-radweg
Sehenswertes am Wegesrand und ergänzende Aktivitäten:
Aussichtsturm Götzer Berg
Möpse jagen in Brandenburg a. d. Havel
NaturparkZentrum Westhavelland in Milow (www.nabu-westhavelland.de/naturparkzentrum-westhavelland)
Ehemaliges Gartenschaugelände und Bismarckturm im Optikpark in Rathenow (www.optikpark-rathenow.de)
Restaurantschiff „Klapperstorch“ in Molkenberg
Sterne gucken und Vögel beobachten am Gülper See
Gutspark Senzke
Alte Schule in Ribbeck (www.alteschule-ribbeck.de)
Museum „Stägehaus“ in Paaren im Glien
Das letzte Stück führt entlang des Berliner Mauerradweges, die Infotafeln sind sehr lesenswert.
Stadtführung per Fahrrad in Potsdam auf Anfrage (www.potsdamtourismus.de/touren/stadtrundgaenge)
Wir danken der TMB Tourismus-Marketing Brandenburg GmbH für die Unterstützung unserer Reise und HNF-Nicolai für die Testräder.
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