Geplant hatten wir an diesem Januartag eine anstrengende aber aussichtsreiche Tour mit Backcountryskiern, das sind etwas breitere Langlaufski mit entsprechender Bindung und Stahlkanten, über das Nipfjäll zum Städjan und weiter zum Skiressort Idrefjäll. Soweit die Theorie zu unserem Winter-Outdoorausflug.
Gestartet sind wir vom Parkplatz „Nipstugan“ der sich im Naturreservat „Städjan-Nipfjällets“ befindet. Dort angekommen schneite es wie auch auf der Anfahrt sehr stark und der graue Himmel versprach keine kurzfristige Wetterbesserung. Wir verpackten unsere Häupter so gut als möglich in Buffs, Mützen und Schals und machten uns an den ersten Anstieg auf dem mit roten Kreuzen markierten Weg. Der Wind peitschte uns den Schnee fast waagerecht ins Gesicht und auf unseren Wangen fühlte sich dies schon nach kurzer Zeit nach filigranen stechenden Tatooarbeiten an.
Keine Sicht im Whiteout
Das Gehen mit den Skiern bergauf war von Anfang an mühsam und durch den Wind war das Vorankommen kaum möglich. Als einzige Orientierung im Weiß dienten die im 50 Meter Abstand platzierten roten Markierungen, die auch dick mit Schnee ummantelt zumindest der Kontur nach gut erkennbar waren. Ansonsten war Sicht nahezu nicht vorhanden, die verschneiten Flächen gingen konturlos in den Himmel über – alles war grauweiß, die Erde, der Horizont und der Himmel. So sieht „whiteout“ also aus und an uns schlich sich damit auch ein Gefühl heran „der Natur ausgeliefert sein!“ Nach kurzer Gehzeit war klar: Genuss bedeutet heute am Tourende sagen zu können „ich hab`s geschafft, ich bin unversehrt am Ziel angekommen.“ Thomas meinte zwischendurch „das fühlt sich ein bisschen an wie eine Polarexpedition für Anfänger.“
Unsichtbare Highlights am Wegesrand
Auf dieser Route an der Baumgrenze gibt es einige hübsche Höhepunkte wie z. B. den Nipgubbe eine ca. 120 cm hohe Steinfigur, die man eigentlich nicht übersehen kann. Uns ist das gelungen und nach einigen Versuchen „den alten Mann“ zu entdecken, haben wir aufgegeben. Es ist ihm auch nachzusehen, dass er sich bei diesen Wetterbedingungen verzogen hat. Aber es gibt ihn, wie verschiedene Abbildungen auf Ansichtskarten zeigen. Laut Beschreibung befindet er sich links etwas zurück gesetzt vom Wegesrand ca. 50 Meter bevor wir den Wegkreuzen nach rechts folgten.
Der Wind pfiff unablässig und peitschte den Schnee in unsere Gesichter. Erste weiße Flecken zeigten sich. Ein uns bekannter Guide erklärte am Vorabend die Erfrierungs-Faustregel seines aus Sibirien stammenden Vaters: „Bei weiß ist noch alle okay, bei Blaufärbung dringend wärmen und bei schwarz ist nicht mehr zu spaßen.“ Demzufolge war noch alles gut, meine Wangen brannten aber schrecklich.
Maikäfer fliegen auch im Winter
Auf dem Fjäll bewegten wir uns zwar ziemlich parallel zu den Höhenlinien mit keinen nennenswerten Steigungen oder Abfahrten, kamen aber trotzdem nur langsam voran. Der starke Seitenwind und die dadurch erzeugten Schneeverwehungen sorgten für Beschleunigung und abruptes Bremsen im Wechsel, was mich regelmäßig in den zum Glück tuffigen Schnee beförderte. Die größte Schwierigkeit war dann das Aufstehen, denn der weiche Neuschnee gab beim Aufstützen sofort nach und ein gewisse Ähnlichkeit mit einem zappelnden auf dem Rücken liegenden Maikäfer war durchaus gegeben. Aber nach vielen Freiflügen war dann irgendwann der schützende Wald erreicht, der hervorragend als Windstopper fungierte.
Endlich windstill
Nur noch eine längere Abfahrt durch den Tiefschnee, bei dem es einigen Bäumen auszuweichen galt und dann war der schmale Waldweg erreicht. Hier war erstmalig an eine einigermaßen entspannte Pause zu denken und das Vesperbrot schmeckte trotz Gefrierbrand. Auf dem folgenden Weg ging es nun fast wie auf Schienen hinab nach Gränjåsvallen wo wir dann die Straße querten. Hier konnten wir auch die Schönheit dieser Winterlandschaft wieder wahrnehmen und geniessen, hatte doch im ersten Streckenteil das Durchhalten in den widrigen Bedingungen alle Aufmerksamkeit gefordert. An der Straße gingen wir ein kurzes Stück links entlang und kurz danach bogen wir wieder rechts in einen Waldweg ein – Achtung: Augen auf, die Ausschilderungen können zugeschneit sein. Wir folgten dieser in Richtung „Idrefjäll 2 km“ und kamen zeitnah in das mit Farbcodes gekennzeichnete Loipensystem, nach rund 4,5 Stunden hatten wir die 9 km lange Strecke geschafft und erreichten das Idrefjäll-Stadion. Was bleibt, ist das Gefühl eine anstrengende körperliche Herausforderung und die Unberechenbarkeit der Natur unbeschadet gemeistert zu haben.
Ein nächstes Mal bei Bilderbuchwetter
Trotz aller Strapazen ist das eine tolle Tour – die Spaß macht und bei gutem Wetter wunderbare Ausblicke über das karge Fjäll, den 1131 Meter hohen Städjan, der von der Kontur an einen Kamelhöcker erinnert, bietet.
Infokasten:
Karte: LANDMÄTERIET, Fjällkartan W52 Idre, ISBN: 978-91-588-9512-6, Maßstab 1:500000
Einstieg: Parkplatz „Nipstugan“(61°56’38“ N 12°49’21“ E); Ausstieg: Stadion „Idrefjäll-Stadion“
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Hallo Silke und Thomas,
Schneesturm hättest auch bei uns im Allgäu bekommen können. Nur „Kamelhöcker“ haben wir keine, sondern richtige Berge.
Das mit dem Schneesturm glauben wir dir sofort. Obwohl sich uns das Allgäu bisher fast immer von der Sonnenseite gezeigt hat!
Euer Artikel weckt Erinnerungen: Ich habe fünf Sommer in meiner Jugend in Schweden verbracht und war auch ein paar Mal in Dalarna. Das kleine rote Pferd steht noch heute im Regal. Ich glaube, mir würde es auch im Winter dort gefallen, mal sehen, ob es mal klappt.
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Hallo Siggi,
danke für deine Rückmeldung. Zwischenzeitlich ist der Bericht von der Wanderung zum Wasserfall online. Sicherlich kommt dir auch da die eine oder andere Beschreibung bekannt vor. Wir freuen uns, wenn du weiterhin auf Outdoor-Hochgenuss vorbeischaust – vielleicht sind ja weitere Inspiration für dich dabei.
Herzliche Grüße aus dem Ländle,
Silke und Thomas
Hallo Silke, Hallo Thomas,
da werden Erinnerungen wach!! Ich fand es in Idre prima (trotz oder auch wegen der Anstrengungen). Wir hatten ja am Ende immer einen sicheren und gemütlichen Hafen.
Vielen Dank auch für die Fotos. Selbstverständlich werden diese nur privat verwendet.
Siggi