Wenig Vorwissen hatten wir im Gepäck über das Fürstentum Liechtenstein, den an Österreich und die Schweiz angrenzenden „Zwergenstaat“. Als attraktive Geldanlage-Metropole für dicke Bankkonten, war er in unserem Gedächtnis verankert. Gespannt waren wir, wie attraktiv sich Liechtenstein als Wanderdestination gestalten wird.
Ausgangspunkt unserer dreitägigen Wanderung durch die Liechtensteiner Alpen ist Vaduz. Etwas schmerzhaft starten wir in unseren ersten Wandertag – sowohl körperlich als auch emotional. Über Nacht haben sich bei Silke Rückenschmerzen angeschlichen. Die lassen uns zweifeln, ob der erste und sportivste Teil der Strecke mit dieser kleinen Beeinträchtigung gut zu bewältigen wäre. Hier führt der Weg von Planken über die Gafadurahütte, den Fürstensteig und die besonders spektakulären Drei-Schwestern, die uns von vielen Liechtensteiner Wanderkennern begeistert empfohlen wurden. Wir entscheiden uns für einen moderateren Einstieg in unsere dreitägige Tour „von Hütte zu Hütte“ durch das Rätikon. Nehmen hierfür die Buslinien 11, 21 und final die 22, die uns zum Kurhaus Gaflei bringt. Eine Wandertour mit einer Pause zu beginnen, ist nicht das Schlechteste und die machen wir am Aussichtsturm Gaflei. Von dort liegt einem ganz Liechtenstein zu Füßen. Wir erkennen die verschiedenen Sehenswürdigkeiten in Vaduz, auf der gegenüberliegenden Rheinseite hat man den Blick in die Schweizer Gebirgszüge und direkt hinter unserem Rücken bauen sich die massiven Liechtensteiner Alpen auf. Zurück am Ausgangspunkt nehmen wir die großzügige Ausschilderung war. Alle Wege führen über die Drei Schwestern nach Planken oder in unserer Gehrichtung nach Sücka.
Über den Plattenspitz dem Berggasthaus Sücka entgegen
Genau dort im gleichnamigen Berggasthaus wartet heute Abend ein Zimmer auf uns. Zuvor wollen wir aber über den Bargällasattel in Richtung Alpspitze und vorbei am geografischen Mittelpunkt Liechtensteins. Gerade haben wir uns warm gelaufen, lockt direkt am Weg ein kleiner bewirtschafteter Bauernhof. Wir nutzten die Gelegenheit für eine Tasse Kaffee in der Sonne. Genießen dabei das Wettläuten der Kühe, die sich auf den umliegenden saftigen Wiesen tummeln. Oben am Sattel angekommen, winkt schon das Alpspitz-Gipfelkreuz, aber ganz so schnell erklimmt man den Gipfel (1997 m) dann doch nicht. Wir nehmen es vorweg, wir schlagen nicht oben an. Der zuerst relativ breite Weg hinauf ist gespickt mit blauem Enzian und Schusternägeln. Unser Blick pendelt zwischen den Gebirgszügen von Liechtenstein, der Schweiz und Österreich hin und her. Es ist wirklich faszinierend wie schnell das Eintauchen in die Bergwelt hier möglich ist. Pfadig wird der Weg und dann entdecken wir unter uns den Fürstensteig, der von hier ziemlich schmal und auch ausgesetzt wirkt. Mit unseren recht großen Rucksäcken bepackt, fühlen wir uns bestätigt, diese Passage nicht gegangen zu sein. Wir kehren um, wieder hinunter zum Bargällasattel. Machen in einem Seitental den Ort Steg mit dem Gänglesee aus, der unterhalb der Sücka liegt. Nehmen jetzt auch den eingezäunten geografischen Mittelpunkt Liechtensteins war. Ein umzäunter Stein, den wir uns ein bisschen augenscheinlicher vorgestellt haben. Nun peilen wir den Plattenspitz (1702 m) an. In sanftem Auf und Ab über blumige, farbenfrohe Wiesen, am Waldrand entlang und tiefer hinein in Waldstücke leitet uns der Weg. Dann wird es anspruchsvoll: Der Pfad ist schmal, und die hohen Tritte über Wurzeln und Steine fordern die Oberschenkel- und Wadenmuskulatur heraus.
Es folgt noch ein kleiner Grat, dann sitzen wir unterm Gipfelkreuz des Plattenspitz, mit Blick auf das Walserdorf Triesenberg und die Mittagsspitze, unter der wohlbehalten unser Wohnmobil parkt. Wir fangen an zu grinsen, denn fast gleichzeitig rufen wir „Zuckerhut“ und erinnern uns an den Vergleich den unser Segway-Guide Mario am Vortag zur Kontur der Mittagsspitze anstellte. Der Abstieg ist ähnlich sportlich, wir verabschieden uns nun vom Rheinblick und tauchen ein in das Saminatal. Im Berggasthaus Sücka, begrüßt uns die resolute aus Niederösterreich stammende Wirtin Monika. Zusammen mit ihrem Mann führt sie das über 100 Jahre alte Haus seit 11 Jahren. Schlicht aber angemessen sind die Zimmer eingerichtet, auf dem Gang laden erfrischende Duschen ein. Wer Wert auf ein eigenes Zimmer legt und nicht im Schlaflager übernachten möchte, sollte auf jeden Fall im Vorfeld reservieren. Auf der Terrasse genießen wir den Blick auf die eindrucksvollen Garsellitörm, die auf Vorarlberger Terrain stehen.
Bunte Blumenpracht am zweiten Wandertag
Am zweiten Etappentag ist die nur erwanderbare Pfälzerhütte unser Ziel. „Der Weg dorthin ist individuell gestaltbar“, bescheinigt uns Monika. Wir entscheiden uns für die anspruchsvollere, aber landschaftlich sehr reizvolle Variante über den Rappenstein Sattel. Das erste Zwischenziel, den Chrüppel erreichen wir über eine etwas holprige rurale Wald- und Wiesenstrecke, indem wir bei der Käsealpe, direkt neben der Sücka in den Wald hinaufsteigen. Der Chrüppel ist eine echte Überraschung: ein idyllischer Rastplatz, mit einer kleinen mit karierten Vorhängen, Stockbett, beheizbarem Ofen und Schnapsbar ausgestattete Schutzhütte. Vor ihr stehend lacht uns der Alpspitz entgegen. Berauschend ist nicht nur die kleine alkoholische Kostprobe sondern auch der folgende Wegabschnitt. Stetig ansteigend, zieht sich ein schmaler Pfad eingebettet in ein pink blühendes Alpenrosen-Meer hinauf zum Heubüal (1936 m).
Ziemlich anspruchsvoll gilt es auch den Weg auf der anderen Seite wieder hinunter zu bewältigen! Die Mühe wird reichlich belohnt, denn das ist ein wahrer Traumpfad. Rechts von uns im Tal fließt der Rhein, vor uns macht sich das Wörxnerhorn mit Gipfelkreuz breit und nicht zu vergessen die verschneiten, auch im Frühsommer weiß bepuderten Schweizer Alpengipfel. Über zahlreiche Stufen hinauf, sehr schweißtreibend erreichen wir den Goldlochspitz durch ein wahres Blumenparadies; das auf jedem Höhenmeter mit neuen Pflanzen und Farbakzenten lockt. Hier nutzt die Flora wahrlich alle Mischkompositionen der Malerpalette aus. Auf der Goldlochspitze treffen wir auf die ersten Wanderer an diesem Tag: bestens gelaunte Liechtensteinerinnen, die sich ebenfalls an der Blütenpracht erfreuen. Für uns der absolute Höhepunkt ist der kurze, knackige Abstieg zum Rappenfelsensteig, der auf den letzten Metern etwas versetzt entlang eines sehr schmalen Grats führt. Gelbe Butterblumen, orangene Calendula, weiße Anemonen, rosa Klee, um nur die wenigen uns bekannten prächtigen Blüher aufzuzählen, die die Landschaftskomposition hier perfektionieren. Nach so vielen landschaftlichen Highlights wird es auf dem Weg hinunter ins Tal, auf dem wir 400 Höhenmeter verlieren, ruhiger. Rücken und Beine haben Zeit ein bisschen zu jammern und zu quengeln.
Tapetenwechsel im Naaftal
Nach der Überquerung des Valünerbachs erwartet uns das Naaftal hinauf zur Pfälzerhütte. Komplett still und einsam ist es hier und leise schleicht sich die Ehrfurcht vor der gewaltigen Natur an. Plötzlich hören wir einen Pfiff gefolgt von einer umgehenden Antwort und nach einiger Zeit werden die Verursacher sichtbar: Murmeltiere wie aus dem Bilderbuch! Die Nager wirken aus der Ferne einfach zu putzig. Obwohl die Zeit etwas drängt, um noch pünktlich zum Abendessen auf der Hütte anzukommen, starten wir den Versuch uns ihnen etwas anzunähern und sie zu fotografieren. Großartig, wie sie da stehen, plötzlich losrennen und in ihrem Bau verschwinden.
Nach der Ruhe auf dem letzten Abschnitt durch das Naaftal, erinnert unsere Ankunft auf der Pfälzerhütte (2108 m), die fast auf der Grenze zwischen Österreich und Liechtenstein sitzt, eher an ein Volksfest. Wer wie wir zur Abendessenzeit, der Rush-Hour ankommt, landet in einem wuseligen Ameisenhaufen. Hüttenwirtin Elfriede Beck und ihr Team haben alle Hände voll zu tun, die bis zu 60 hungrigen Wandermäuler zu stopfen. Alle Bänke sind voll besetzt und neben den Gästen geben auch die dampfenden Schüsseln Wärme ab. Noch erhitzt vom Aufstieg, kommt uns das sehr gelegen. Denn so können wir unser Abendessen ganz alleine und in Ruhe draußen auf der in das Abendlicht getauchten Terrasse verspeisen. Gefühlt in nächster Nähe, haben wir Aussicht auf die Panüeler Kette, die die Hütte auf der einen Seite umgibt. Immer wieder geht unser Blick in Richtung Naafkopf (2570 m), den Dreiländerberg den man von hier in gut 45 Minuten erreicht. Eine Sonnenaufgangs- oder -untergangstour hinauf ist verlockend, allerdings halten sich Schneefelder auch im Sommer ziemlich ausdauernd. Wir lassen uns nicht abhalten und starten direkt nach dem Essen einen Versuch, den Gipfel vor Sonnenuntergang zu erreichen. Allerdings siegt unterwegs die Vernunft und wir brechen unser Vorhaben vor einem großen Altschneefeld ab. Auch auf „halber Höhe“ ist es grandios den in Gold getauchten Säntis mit der Antenne am Horizont auszumachen.
Zurück auf der Hütte machen sich die rund 1200 Höhenmeter, die wir heute bewältigt haben, bemerkbar. Gerne folgen wir dem Hinweis von Elfriede mit Blick auf die Wasserknappheit, sparsam damit umzugehen und sinken nach kurzer Katzenwäsche ins Bett.
Gratwanderung entlang der österreichisch-liechtensteinischen Grenze
Am letzten Tourentag steht gleich zu Etappenbeginn der Aufstieg zum Augstenberg (2358 m) bevor. Diesen erreichen wir über den renommierten Fürstin-Gina-Weg und wandern entlang der österreichisch-liechtensteinischen Grenze. Besonders schön an dieser Passage ist der Rückblick auf Streckenabschnitte wie hinüber zum Rappenstein, die wir bereits passiert haben. Fasziniert sind wir vom Gorfion einem Nachbarn des Augstenbergs, der uns in der Kontur an den Liechtensteiner Fürstenhut erinnert. Deutlich mehr los ist hier und die Liechtensteiner Wanderer, die uns begegnen und offensichtlich deutlich früher in Malbun gestartet sind, trällern uns ein freundliches „Hoi“ entgegen. „Hoi“, das ist der typische Liechtensteiner Gruß, wie sagte unser Vaduz-Guide Mario so schön: „Wir sind das Hoi-Land“! Vom Augstenberg, der höchsten Erhebung auf der gesamten Wanderung, blicken wir auf das Sareiserjoch, mit dem Sesselbahnanschluss in den Wintersporttalort Malbun. Auf dem Abstieg hinunter sollte man auf jeden Fall immer mal wieder einen Blick zurück über die Schulter wagen. Die steil nach unten fallende Felswand unterhalb des Augstenbergs lässt einen schon ein bisschen schaudern. Der Nenzinger Himmel zweigt nach Österreich ab, wir visieren abwärts gehend den Spitz zur abschließenden Aussicht an. Dann entscheiden wir uns für den gelenkschonenden Sparmodus und steuern die Bergstation Malbun-Sareis an. Von dort lassen wir uns ganz entspannt im Sessellift die 400 Höhenmeter hinunter zur Talstation chauffieren. Direkt nebenan liegt die Bushaltestelle; der Bus steht schon bereit und bringt uns mit einem Umstieg zurück zu unserem Campingplatz in Triesen. In unserem Camper warten schon zwei gut gekühlte Liechtensteiner Lagerbiere auf uns – zum Wohl, auf die wunderschöne Tour!
Infobox Hüttenwanderung in Liechtenstein
Tourdauer: 3 Tage
Start/Ziel: Kurhaus Gaflei/Malbun
Länge: knapp 25 km
Höhenmeter (Aufstieg/Abstieg): 2029 hm/1536 hm
Anreise mit dem Auto aus Deutschland: Über die A7, weiter auf die A96, in Österreich auf die A14. Von Berlin ca. 790 km, von Hamburg ca. 850 km, von München ca. 250 km.
Anreise mit dem Flugzeug bzw. der Bahn: Flughäfen Zürich-Kloten ca. 115 km, Altenrhein ca. 50 km, Friedrichshafen ca. 85 km; anschl. Weiterfahrt mit der Bahn nach Sargans, Buchs/SG und Feldkirch. Dort Umsteigemöglichkeit in das gut ausgebaute Busnetz Liechtensteins (LIEmobil, www.liemobil.li).
Charakter:
Mittelschwere Tour, die auch über Planken, die Gafadurahütte, den Fürstensteig und die Begehung der Drei Schwestern sportiv begonnen werden kann. Trittsicherheit ist auf der gesamten Strecke immer wieder erforderlich. Es warten einige knackige Auf- und Abstiege und am Rappenstein geht es an einem schmalen Grat entlang. Von der Pfälzerhütte aus ist auch ein Abstecher auf den Naafkopf (2571 m), den Dreiländerberg möglich. Auch im Frühsommer machen sich gelegentlich noch Altschneefelder breit.
1. Etappe: Kurhaus Gaflei – Sückahütte; 7,5 km; Aufstieg: 505 hm, Abstieg: 592 hm
2. Etappe: Sückahütte – Pfälzerhütte – Teilstück Naafkopf – Pfälzerhütte; 12,2 km; Aufstieg: 1237 hm, Abstieg: 536 hm
3. Etappe: Pfälzerhütte – Bergstation Malbun; 4,9 km; Aufstieg: 287 hm, Abstieg: 408 hm
Wanderliteratur/Karten:
Die Broschüre „Wanderführer Fürstentum Liechtenstein“ sowie die Wanderkarte Liechtenstein (Maßstab 1:25000) sind im Liechtenstein Center, Vaduz und online erhältlich. Weitere Wandertipps:
www.tourismus.li/erlebnisse/sommerurlaub-in-liechtenstein/wandern/wanderungen
Wanderführer Bodensee – Rätikon, Rother Verlag, ISBN 978-3-7633-4197-9
Wander- u. Fahrradkarte Liechtenstein, Feldkirch, Vaduz, Maßstab: 1:50000, Kompass Verlag, ISBN: 978-3-8549-1023-7
Unsere Übernachtungsmöglichkeiten:
Berggasthof Sücka: Tel.: +42 3 263 25 79, info@suecka.li, http://www.berggasthaus-suecka.li
Pfälzerhütte: geöffnet von ca. Mitte Juni bis ca. Mitte/Ende Oktober geöffnet. Tel.: +42 3 263 36 79; Telefon außerhalb der Saison: +42 3 262 24 59, pfaelzerhuette@alpenverein.li, www.alpenverein.li/HüttenundWege/Pfälzerhütte.aspx
Gafadurahütte: geöffnet von Anfang Mai bis Mitte Oktober, Tel.: +42 3 787 14 28, gafadurahuette@alpenverein.li, gafadurahuette.li
Die Hütten sind meist gut frequentiert, eine Reservierung vorab wird empfohlen.
Übernachtungsmöglichkeiten allgemein:
Es stehen Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, ein Campingplatz (www.campingtriesen.li) und eine Jugendherberge zur Verfügung. www.tourismus.li
Beste Zeit: Mitte Juni bis ca. Mitte/Ende Oktober für die vorgestellte Tour.
Sonstiges: Unterwegs gibt es keine verlässlichen Einkehrmöglichkeiten. Ausreichend Getränke und Vesper mitnehmen.
Wer gerne auch im Winter in Liechtenstein unterwegs ist, der kann sich zum Lama-Trekking inspirieren.
Wir haben diese Tour im Rahmen einer Pressereise unternommen. Danke an Tourismus Liechtenstein für die Unterstützung.
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