„Gib Pfötchen“, ist heute ganz wichtig: Wir sind nicht in der Hundeschule, sondern wir präparieren uns für eine winterliche Kanu-Tour in einer kleinen, feinen Gruppe auf den Spreewälder Wasserwegen. Die Neopren-Fäustlinge (Paddelpfötchen), die fest mit unserem Paddel verbunden sind, halten unsere Hände während der gesamten Tour wunderbar warm und trocken. Zusätzlich hat uns unser Tourguide Martin Richter fürsorglich mit Schwimmwesten, Spritzschutz und wasserdichten Tonnen für die Wertsachen ausgestattet. Die kahlen Bäume wiegen sich kräftig im Wind und knarzen vor sich hin – sonst hören wir Stille in unseren Kajaks.
Paddelpfötchen machen glücklichRund 475 Kilometer Paddelstrecke bietet das Biosphärenreservat im Spreewald. Wir als Spreewald-Neulinge sind sehr gespannt was uns erwartet: Nach wenigen Minuten auf dem Wasser schalten wir in den Entspannungsmodus und können es kaum glauben, dass wir nahezu alleine unterwegs sind in den hauptsächlich von Erlen und Birken gesäumten Wasseralleen. „Aktuell haben wir hier den Winterstau, d.h. das Wasser wurde angestaut und der Wasserspiegel ist dadurch ca. 20 cm höher als normal. Durch die erhöhte Sitzposition ergeben sich nun ganz andere visuelle Eindrücke als im Sommer, da hat man eher das Gefühl durch einen Urwald zu fahren“, erläutert uns Martin. Wir fahren zu Beginn ganz nah vorbei an den Grundstücken und schauen uns neugierig die teils sehr alten Häuserkonstruktionen an. Diese Spreewald Häuser wurden in der Holzbohlenbauweise erbaut und üblicherweise auf eine Steinunterkonstruktion gestellt, so dass die Häuser auch bei steigendem Wasserspiegel keine „nassen Füße“ bekamen.
Schlangenkönig und Gurken-Drive-In
Besonders auffällig sind die Giebelspitzen der mit Reet gedeckten Dächer. Hier entdeckt man gekreuzte Schlangenköpfe die eine Krone tragen. Natürlich ranken sich um den Schlangenkönig viele Sagen. Martins Erklärung klingt plausibel: „In den Sümpfen hier lebten früher natürlich viele Schlangen, die sich zum Sonnen ein warmes Plätzchen aussuchten. Für die damaligen Bauherren waren die Reptilien somit verlässliche Indikatoren für einen guten, trockenen Bauplatz.“ Zum Dank für diese Tipps verewigten sie auf dem Giebel den Schlangenkönig.
Dann entdecken wir einige Holzgestelle, die direkt am Wasser stehen. „Das ist der Gurken-Drive-In, hier bieten die Gurkeneinlegebetriebe im Sommer die bekannten Spreewald Spezialitäten an. Man kann also direkt aus dem Kanu heraus Proviant für die Paddel-Tour kaufen“, erklärt unser Guide. „Wir waren hier sozusagen Vorreiter für die Burger-Restaurants“, ergänzt er augenzwinkernd.
Eine Fahrt voller einmaliger Kuriositäten
Ähnlich den klassischen Straßen hat jedes Fließ einen Namen und wir stoßen auf der Tour z.B. später auf den Venediggraben und den Hechtgraben. Zu Beginn des Lehder Grabens paddeln wir am Kaupen N°6 vorbei, dies ist die einzige Gaststätte, die ausschließlich auf dem Wasserweg erreichbar ist und wer an einem Dezember-Wochenende vorbei kommt, kann dort einheimische Küche genießen. Plötzlich entdecken wir auf der rechten Wasserseite ein „Garagentor“ mit Postlogo. In Lehde, einem Dorf mit Insellage, auf das wir gerade zusteuern, wird die Post im Sommer mit dem Kahn ausgetragen. Kurz Bedauern wir, dass es Winter ist und wir somit die Postbotin nicht in Aktion erleben. Denn im Winter zahlt sich der zweite Briefkasten aus, den jedes Haus in Lehde hat: einen der per Fahrrad auf dem Festland erreichbar ist und einen eben direkt am Gewässer.
Wie wir erfahren, werden viele ganz alltägliche Dinge hier auf dem Wasserweg erledigt: so gibt es ein Feuerwehr-Boot und auch die Müllentsorgung erfolgt per Kahn.
Lehde – im Sommer belebtes Museumsdorf, im Winter Bilderbuchidyll
Lehde, laut Theodor Fontane eine Lagunenstadt im Taschenformat, besitzt 5 Ortseingangsschilder (4 zu Wasser und eines auf dem Landweg) und beherbergt noch ca. 160 Einwohnern. Im Sommer ist hier in diesem „bewohnten Freilichtmuseum“ einiges los. Im Winter aber gehört das Dorf fast ausschließlich den Bewohnern und auch wir spüren diese entspannte Stimmung vom Kanu aus. Die wenigen Einheimischen denen wir begegnen, grüßen uns freundlich, von Touri-Blues ist nichts zu merken. Kaum haben wir das Dorf mit seinen vielen Holzbrücken, (aktuell geschlossenen) Gastwirtschaften und Übernachtungsmöglichkeiten hinter uns gelassen, entdecken wir den Suez-Kanal, den es auch hier südöstlich vor den Toren Berlins gibt. Nun wird es Zeit für eine stärkende Pause und Martin zaubert am Uferrand Thermoskannen mit heißer Schokolade und Glühwein hervor, dazu gibt es frische Muffins – lecker!
Direkt vor unserer Nase auf dem Festland steht ein ziemlich großer aufgehäufter Heuberg in dessen Mitte ein hoher Holzstab steckt. Das ist ein sogenannter Heuschober, erfahren wir von unserem Spreewald-Experten. Früher als hier noch viel Landwirtschaft betrieben wurde, dienten sie als externe Heulager für die Bauern. Wenn auf dem Hof kein Platz mehr war, wurden auf den Wiesen die Heuschober errichtet und bei Bedarf wurde das Heu mit dem Kahn wieder abgeholt. Heute zieren sie hauptsächlich die Landschaft und regen Touristen zu neugierigen Fragen an.
Augen auf – denn einiges kreucht und fleucht im und am Wasser
Kaum Menschen, aber vielen schnatternden Enten begegnen wir auf unserer rund 2,5 stündigen Tour. Neben vielen Vogelarten, die der fundierte Ornithologe natürlich kennt, ist auch der Eisvogel im Spreewald keine Seltenheit. Rund 30 Biberpaare haben sich im Spreewald angesiedelt und auch Hirsche und Rehe überqueren das Wasser, die haben wir leider bei unserer exklusiven Tour nicht gesehen – aber man kann nicht alles haben.
Den Abschluss durch die vielen kleinen Kanäle bildet der Lübbenauer Hafen. Normalerweise darf man nicht bis hierher paddeln, wie übrigens auch auf einigen anderen der kleinen Wasserstraßen. Die Sondergenehmigung der Familie Richter macht es möglich. Nach rund 2,5 Stunden und ca. 4,5 ohne Gewässer-Eigenströmung gepaddelten Kilometern, legen wir mit unserem Kanu wieder grundentspannt und Spreewald-geflashed am Ausgangspunkt an.
Unser Fazit: Eine landschaftlich wundervolle Tour für geübte Kanuten und Paddel-Novizen. Danke an Martin für die umfangreichen Informationen rund um den Spreewald un die Paddel-Tipps und herzliche Grüße an Familie Müller aus Dresden, die mit uns zusammen unterwegs war.
Für alle die Appetit bekommen haben: hier findet ihr die aktuellen Winter-Kanu-Erlebnistour Termine.
Vielen Dank auch an Tourismus Brandenburg für die Organisation und Einladung zu diesem Outdoor-Erlebnis.
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